Der gemeinsame Glaube an den Einen Gott (3)

Siehe, die da glauben, auch die Juden und die Christen und die Sabäer – wer immer an Allah glaubt und den Jüngsten Tag und das Rechte tut, die haben ihren Lohn bei ihrem Herrn. Keine Furcht kommt über sie und sie werden nicht traurig sein.“ (2:62)

3. Missionierung

Die Gottesbegegnung jedes Menschen hat stets biografische Züge. Muslimen wie Christen ist es ein Anliegen, den Menschen, denen sie begegnen, von Gott und von ihrem persönlichen Weg mit Gott zu erzählen. Das ist richtig, gut und wichtig: so trägt Gott selbst seine Botschaft in die Welt.

Geht man jedoch davon aus, dass Vollendung nur für die kleine Gruppe der Anhänger der eigenen Religion möglich ist, so läuft man Gefahr, dass die Rede von Gott eine gefährliche Eigendynamik entwickelt.

Am Anfang steht da eine ernste Sorge. Diese gilt den Menschen, die es für den rechten Glauben zu gewinnen gilt. Wenn man als Christ davon ausgeht, dass man, um das Heil erlangen zu können getauft sein muss, dann fühlt man sich der privilegierten Gruppe der ca. 2, 3 Milliarden Geretteten zugehörig. Als wohl wichtigste Aufgabe stellt es sich denjenigen dar, die übrigen 4, 9 Milliarden „Heiden“ für das Himmelreich zu gewinnen. Wer 1000 Menschen tauft ist zehnmal so erfolgreich wie der, der nur 100 Menschen tauft. Und wen man nicht erreicht, der ist für die Erlösung verloren.

Der große Missionar Franz Xaver gründete in Ostasien zahlreiche Gemeinden und begeisterte die Menschen von Gott. Er tat dies mit Klugheit, Offenheit, und man hat fast den Eindruck, er hörte den Menschen mehr zu, als dass er kluge Predigten hielt. Aber je mehr Menschen er erreichte: er litt Qualen um jeden, den er nicht erreichen konnte und rieb sich bisweilen persönlich bis an alle Grenzen auf, um den Menschen Gott nahezubringen. Davon zeugen zahlreiche Briefe, die in Ausschnitten auch im Internet publiziert sind.

So lobenswert der Ansatz, andere von Gott zu begeistern, ist, so liegt doch ein grundlegend störendes Moment in dieser Praxis.

Das Heil des Menschen wird als ein zukünftiger Lohn für die Gottesfürchtigen gesehen, nicht als bereits im Leben angebrochene Wirklichkeit. Das Gottesreich wird also in eine Zukunft nach dem Tode verschoben. An die Stelle der Freude an der guten Botschaft Gottes tritt eine andere Emotion: die (gegenüber den zu Bekehrenden durchaus empathische) Furcht vor deren Verdammnis. An die Stelle des Dialogs der Monolog, die Predigt. Eine solche Missionierung läuft immer Gefahr, aggressiv, überwältigend zu sein. Andersgläubige erscheinen in einem schlechten Licht: ihnen wird unterstellt, sie führen andere Menschen von Gott weg. Und so seien sie Feinde Gottes, Feinde der Menschen. Fürchterliche Ereignisse wie Kreuzzüge, Religionskriege und Hexenverbrennungen gründen letztendlich in ebendiesem Irrtum.  Und für den Missionierenden selbst tritt an die Stelle der eigenen Gottsuche die Täuschung, Gott bereits gefunden zu haben.

4. Exklusive Interpretation der Heilsfrage

Eines scheint weiterhin bei diesem Ansatz gebrochen: das Vertrauen in die Liebe Gottes. Das Heilshandeln Gottes dient allen Menschen. Der alte, in meiner Kirche immer noch verbindliche Glaubenssatz, dass „niemand außerhalb der katholischen Kirche (…) des ewigen Lebens teilhaftig wird, vielmehr dem ewigen Feuer verfällt, das dem Teufel und seinen Engeln bereitet ist“ (Neuner/Roos, Der Glaube in den Urkunden der Lehrverkündigung, 4. Aufl. 1954, S. 213), kann nicht wortwörtlich ausgelegt werden. Diese „exklusive“, „ausschließende“ Auslegung jedoch war im 16. Jahrhundert zu Franz Xavers Zeiten der Fall.

5. Inklusive Interpretation

Heutige Theologen vertreten Vorstellungen, die von „konzentrischen Kreisen“ ausgehen: die Katholiken stehen damit im inneren Kreis der „Kirche“, die auf die Apostel zurückgeht, in einem weiteren Kreis dann die getauften nicht-katholischen Christen, dann weiter außen die Gottsuchenden aus Islam und Judentum, die an den Einen Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde glauben, in einem weiteren Kreis die Gottsuchenden der anderen Religionen, dann in weiteren Kreisen die Atheisten, die Gottes Gebote als moralisches Gesetz achten und so weiter. Der Begriff der Kirche wird also als eine Art erweiterter Ökumene (Ummah) verstanden, der die Menschen der Welt entsprechend ihrer Berufung angehören. In einem solchen Ansatz wird der Glaubenssatz nicht bestritten, aber „inklusiv“, „einschließend“ interpretiert. Er befreit von der Furcht und dem Zwang, alle „armen Seelen“ retten zu müssen und eröffnet Wege zu wirklichem Austausch und Dialog. Eine Schwachstelle hat der inklusiver Ansatz aber: er vereinnahmt die Gläubigen anderer Religionen, macht sie zu (so ein weiterer Schlagbegriff) „anonymen Christen“.

Zumindest aber unterliegt er nicht dem offensichtlichen Irrtum der traditionellen „exklusiven“ Interpretation, Menschen aufgrund einer „falschen“ Religionsausübung die Vollendung zu verwehren.

6. Pluralistische Interpretation

Es gibt noch einen dritten, sehr sympathischen, Ansatz, den „pluralistischen“. Hier wird ganz schlicht jeder Religion dieselbe Wertigkeit eingeräumt: alle Religionen und auch die ethischen Werten verpflichteten Philosophien werden als gleichwertige Wege zur Vollendung interpretiert. Diese Vorstellung hat zunächst einigen Charme, löst auch die Aporien der anderen Ansätze durchaus, wird jedoch dem Wahrheitsanspruch der monotheistischen Religionen nicht gerecht.

7.  „Gott ist größer“: die Lösung des theologischen Problems im Koran

Für mich als westlichen Theologen erschließt der Koran nun die Lösung für dieses theologische Problem. Sure 2 zeigt: es ist überhaupt nicht wichtig, zu entscheiden, ob man nun in-, exklusiv- oder pluralistisch die Heilsfrage angeht. Es ist viel einfacher: glaube an Gott, suche Gott, und du wirst deinen Lohn beim Herrn haben. Ob du nun in der Religion des Islam, des Juden- oder Christentums oder als Sabäer ein Gottergebener (Muslim) bist: keine Furcht kommt über dich . Wohin dich Deine Suche nach Gott auch führt: Du wirst nicht traurig sein.

Mit anderen Worten: die Frage nach Gott (Theo-logie) wird unabhängig von der Frage nach dem Heil (Soterio-logie) behandelt.

Einfacher und klarer lässt sich der Widerspruch zwischen den Ansätzen nicht auflösen: ohne den Großteil der Menschheit der Verdammnis preisgeben zu müssen (exklusivistischer Ansatz), ohne die anderen Religionen zu vereinnahmen (inklusivistische Interpretation), ohne ein schlichtes Nebeneinander von gleichwertigen Religionen konstatieren und damit den Anspruch der eigenen Religion zugunsten einer großen Beliebigkeit aufgeben zu müssen (Pluralismus), löst sich das theologische Problem der Vielfalt der Religionen in der altbekannten Erkenntnis: „Allahu akbar“, „Gott ist größer“, größer, als dass Er sich in unsere Denkmuster pressen ließe, größer, als dass Seine Gerechtigkeit Seiner Barmherzigkeit zuwiderlaufe.

Für uns Christen realisiert sich das zentrale Heilswirken Gottes in einer historischen Person: Jesus, von dem wir glauben, dass er den Bruch zwischen Gott und dem Menschen ein für alle mal überwunden hat. Er hat das Heil bewirkt, für alle Menschen bewirkt, und darin hat der (erst seit dem 15. Jahrhundert verbindliche) Lehrsatz seine Wahrheit: die Katholische Kirche sucht den Einen Gott, der Himmel und Erde geschaffen hat, der sich Menschen offenbart und der allen Menschen sein Gesetz ins Herz geschrieben hat. Jenseits dieses Gottes gibt es kein Heil. Dass aber hier religiöse oder gar konfessionelle Grenzen aufgebaut sind, ist allein schon deshalb nicht denkbar, da Jesus selbst nicht etwa Christ, sondern Jude war. (Die Kirche gründete sich zum Pfingstereignis, also nach Christi Tod, Auferstehung und Himmelfahrt.)

Noch am Kreuz verheißt Jesus einem der beiden mit ihm gekreuzigten Verbrecher das Heil: einem Juden, der im rechten Moment Einsicht in seine Sünden zeigt, der im rechten Moment der Stimme seines Herzens folgt und zuletzt Jesus bittet, seiner zu gedenken (s. Kommentar).


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Eine Antwort zu Der gemeinsame Glaube an den Einen Gott (3)

  1. Joerg sagt:

    Aber einer der Übeltäter, die am Kreuz hingen, lästerte ihn und sprach: ‚Bist du nicht der Christus? Hilf dir selbst und uns!‘ Da wies ihn der andere zurecht und sprach: ‚Und du fürchtest dich auch nicht vor Gott, der du doch in gleicher Verdammnis bist? Wir sind es zwar mit Recht, denn wir empfangen, was unsre Taten verdienen; dieser aber hat nichts Unrechtes getan.‘ Und er sprach: ‚Jesus, gedenke meiner, wenn du in dein Reich kommst.‘ Und Jesus sprach zu ihm: ‚Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein‘. “ (Lukas 23, 39-43)

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