„O unser Erhalter! Mache, dass wir uns Dir ergeben, und mache aus unseren Nachkommen eine Gemeinschaft, die sich Dir ergeben wird, und zeige uns unsere Weisen der Anbetung, und nimm unsere Reue an: denn wahrlich, Du allein bist der Reueannehmende, der Gnadenspender!“ (2:128)
Der niederländische Sänger, Komponist und Musikproduzent Pierre Kartner wurde Ende der 70er Jahre bekannt durch sein „Lied der Schlümpfe“. Der Inhalt dieses Liedchens ist nicht weiter von Belang; ich werde das Video im folgenden Kommentar verlinken. Mir geht es um den Namen, unter dem Kartner auftrat: als „Vader Abraham“, also „Vater Abraham“ in niederländischer Sprache.
Die Begriffe „Vater“ und „Abraham“ sind in unserem christlich-jüdischen Bewusstsein eng miteinander verbunden; im Namen Abraham schwingt der „Vater“ immer gleich ein wenig mit.
Vater der Vielen
Der Name selbst ist ein hebräischer Name. Avraham bedeutet übersetzt „Vater der Vielen“. (Möglicherweise ist das auch die Bedeutung der arabischen Fassung Ibrahim? Wer mitliest und arabisch beherrscht: magst Du kurz in einem Kommentar Auskunft geben? – Ich würde mich freuen, lieben Dank!)
Vater der Vielen – der Name wurde ihm von Gott verliehen, verbunden mit einer Landverheißung an seine Nachkommen. Er gilt als der erste der drei „Patriarchen“ des Buchs Genesis; ein Wort, gebildet aus dem griechischen Wort „pater“ (Vater) und „arche“ (Ursprung, Anfang und Herrschaft). „Vater der Vielen“, „Vater des Ursprungs“, aber auch „Vater der Herrschaft“. Gemeint ist damit: Vater der Völker.
Vater dreier Religionen
Seine Söhne und Enkel sind die Erzväter von Völkern: sein Sohn Isaak mit seinen Urenkeln die Gründer der 12 Stämme Israels, sein Sohn Ismael der Stammvater der Araber, Mohammed selbst einer seiner Nachfahren. Im Islam wird Abraham unter die Propheten gezählt. Auch der Stammbaum Jesu geht in den unterschiedlichen Überlieferungen einheitlich auf David und Abraham zurück.
Jede der drei Religionen Judentum, Christentum und Islam hat eigene Gestalten, die besondere Bedeutung für sie haben. Aber wir erkennen alle gemeinsam Abraham als Stammvater an.
Vater des Glaubens
Abraham gilt als unser Stammvater aber nicht in erster Linie, weil wir alle unsere Abstammungslinie auf ihn zurückführen – für Christen und nichtarabische Muslime gilt diese ja ohnehin nicht.
Der Schlüssel findet sich in der Überlieferung der jüdischen und christlichen Religion: „Und er [Abraham] glaubte an den Ewigen [Gott], und der rechnete es ihm als Tugend an.“ (Gen 15,6) Der Glaube – entgegen aller Widrigkeiten, Wahrscheinlichkeiten und Berechenbarkeiten – ist der Grund für die Verheißungen Gottes an ihn.
Im christlichen Teil der Bibel wird genau der Gedanke aufgegriffen. „Und was sagen wir denn von Abraham, unserm leiblichen Stammvater? Was hat er erlangt? Das sagen wir: Ist Abraham durch Werke gerecht, so kann er sich wohl rühmen, aber nicht vor Gott. Denn was sagt die Schrift? ‚Abraham hat Gott geglaubt, und das ist ihm zur Gerechtigkeit gerechnet worden‘.“ (Röm 4, 1-2)
Politische Herrschaft – Tempelgründer – Staatsgründer
Im Koran wird zunächst ein anderes Abrahambild gezeichnet. Zunächst wird Abraham als Anführer genannt: „Und (gedenkt:) als sein Erhalter (Gott) Abraham prüfte mit (Seinen) Geboten und der letztere sie erfüllte, sagte Er: ‚Siehe, ich werde dich zu einem Anführer der Menschen machen‘.“ (2:124) Im Arabischen wird das Wort „Imam“ gebraucht, was sowohl Vorbeter, als auch Anführer bedeuten mag, also offen ist für eine liturgisch-religiöse oder politische Bezeichnung. Jedenfalls scheinen es aber eher als der Glaube die Erfüllung von Geboten zu sein, die Abrahams Bedeutung begründen. Geht es also doch um äußere, statt um Glaubensvollzüge?
Auf den ersten Blick schon; allerdings steht der Beginn dieser Abrahamepisode in einem narrativen Zusammenhang, der erst zum Ende seine eigentliche Auflösung findet. Und der weitere Verlauf zeigt eindeutig: Es gibt einen tiefen Grund dafür, dass Abraham die Gebote einhält. Seine Gebotstreue gründet viel tiefer, als in der offensichtlichen Oberflächlichkeit des schlicht Handelnden.
Im Verlauf der Erzählung gründen Abraham und Ismael das Heiligtum Gottes, wohl in Jerusalem, die Grundmauern des Tempels (2:125 und 2:127). Das ist zwar die Handlung, aber auch noch nicht der narrative Höhepunkt der Perikope.
Es folgt eine Landverheißung: das Land soll seine Bewohner ernähren. (2:126) Damit schließt der Koran an die biblischen Verheißungen an.
Glaube
Die diese Episode abschließenden Verse bilden den wahren Höhepunkt der Erzählung. Sie zeigen eindeutig, dass nur eines die Stellung Abrahams begründet: sein Glaube. Und dass nur eines seinen Nachfolgern gilt: es ihm im Glauben gleichzutun.
Bereits zuvor ist schon eindeutig gesagt, dass es nur um den Glauben, und nicht um Führung geht; auch ist vom Bund hier die Rede: „Abraham fragte: ‚Und auch aus meinen Nachkommen (wirst Du Anführer machen)? (Gott) antwortete: ‚Mein Bund schließt nicht die Übeltäter ein‘.“ (2:124)
Der Vorrang des Glaubens wird in den Abschlussversen einprägend geschildert. Sie brauchen keine weitere Erläuterung, sondern schließen selbsterklärend die Erzählung und Weisung ab. Der zentrale Gedanke: der reinste Glaube und die Ergebung in den Willen Gottes ist alles, was zählt.
„O unser Erhalter! Mache, dass wir uns Dir ergeben, und mache aus unseren Nachkommen eine Gemeinschaft, die sich Dir ergeben wird, und zeige uns unsere Weisen der Anbetung, und nimm unsere Reue an: denn wahrlich, Du allein bist der Reueannehmende, der Gnadenspender! … Und wer, außer er wäre schwachen Geistes, würde das Glaubensbekenntnis Abrahams aufgeben wollen, angesichts dessen, dass Wir ihn fürwahr in dieser Welt erhöht haben und er wahrlich im kommenden Leben unter den Rechtschaffenen sein wird? Als sein Erhalter zu ihm sagte: ‚Ergib dich Mir!‘ – antwortete er: ‚Ich habe mich (Dir) ergeben, dem Erhalter aller Welten.‘ Und ebendies vermachte Abraham seinen Kindern, und (ebenso) Jakob: ‚O meine Kinder! Seht, Gott hat euch den reinsten Glauben gewährt; so erlaube nicht dem Tod, euch zu ereilen, ehe ihr euch Ihm ergeben habt‘.“ (2:128, 130-132)
Abraham bereitet seinen Sohn für die Opferung vor, Gabriel greift im letzten Augenblick ein. Darstellung aus einer türkischen Handschrift des 16.-17. Jahrhundert. Quelle: Wikipedia (gemeinfrei)
Vader Abraham, Das Lied der Schlümpfe, auf Youtube:
https://www.youtube.com/watch?v=LhjgOiSnUSY
„sind in unserem christlich-jüdischen Bewusstsein…“
Es gibt kein „christlich-jüdisches Bewusstsein“. Meine Meinung. Zumindest im Hinblick auf trinitarisches Christentum ist es ein modernes Konstrukt.
Hallo Gottlieb,
dank Dir für den Hinweis; er ist sehr hilfreich. Vor etwa 15 Jahren veranstalteten wir mit der Bischöflichen Akademie in Aachen eine Veranstaltung zum Thema „Ein Strich, der trennt und vereint“ – Gemeint ist der Bindestrich zwischen christlich-jüdisch.
Es freut mich, dass Du in dieser Hinsicht sehr aufmerksam mitgelesen hast. Ohne sich der Ambivalenz bewusst zu sein, wäre der Bindestrich tatsächlich fehl am Platz.
Vor allem ist alles „christlich-jüdische“ dort gefährlich, wo es zur Allianz gegen alles „muslimische“ oder „andere“ herhalten muss.
Wenn ich in diesem Sinne missverständlich gewesen sein sollte, dann tut mir das leid; es war so nicht intendiert.
Insofern herzlichen Dank für diesen Hinweis.
Noch ein Link zum Thema aus dem Berliner Tagesspiegel: http://www.tagesspiegel.de/kultur/islam-debatte-die-juedisch-christliche-tradition-ist-eine-erfindung/1954276.html
Herzlich,
Jörg
Danke für den Link. Eine Stimme der Vernunft – allerdings schon aus dem Jahr 2010. Seither ging es weiter bergab in Sachen „Dialog“.
„christlich-jüdisches Bewusstsein?“ Im „Dreiklang Judentum-Christentum-Islam“ ist es der Trinitarianismus, der aus der Reihe tanzt. Meine Meinung.