„Siehe, die da glauben, auch die Juden und die Christen und die Sabäer – wer immer an Allah glaubt und den Jüngsten Tag und das Rechte tut, die habe ihren Lohn bei ihrem Herrn. Keine Furcht kommt über sie und sie werden nicht traurig sein.“ (2:62)
2. Gottsuche und Heilsmöglichkeit: ein Trugschluss
Dass das christliche und das muslimische Gottesbild unterschiedlich sind, habe ich in vorangegangenen Artikeln bereits erläutert, und das wird freilich auch nicht in den kirchlichen Dokumenten verschleiert. Die Unterschiede zeigen sich vor allem in Bezug auf die christliche Vorstellung eines „dreifaltigen“ Gottes und in Bezug auf die personale Begegnung Gottes im Menschen Jesus. Diese Gottesbilder bleiben aber letztlich in zeitlich und endlich formulierter Sprache Bilder für die unbegrenzte und ewige Wirklichkeit Gottes, die in ihrer Fülle uns zu erkennen verwehrt bleibt. Und so ist der Mensch, der Gottes Spuren folgt, stets Suchender.
Diese Suche ist zugleich immer auch eine Liebesgeschichte des Suchenden mit Gott. Wie jede Liebesgeschichte berührt sie den ganzen Menschen. Wie jede Liebesgeschichte wird auch Raum gegeben, die Liebe zu bezweifeln und hinterfragen. Und wie jede Liebesgeschichte will sich auch die Liebe zu Gott mitteilen; Liebe genügt nie sich selbst, sondern will vom gemeinsamen Glück erzählen, andere teilhaben lassen. In der Familie drückt sich das u. A. auch in dem Wunsch zweier Partner nach Kindern aus: Liebe ist nur vollkommen, wenn sie sich verschenkt.
Die zwischenmenschliche Liebe als Bild für die Gottesliebe:
Marc Chagall, Das Hohelied III.
Foto: Christoph Gäbler, www.gaebler.info
Die Begeisterung von Gott – nicht gemeint ist ein kurzes spontanes Glücksgefühl des „Verliebtseins“, sondern vielmehr eine das Leben hindurch tragende Beziehung – mit anderen zu teilen, andere daran teilhabenlassen zu wollen, das ist unsere „Sendung“, „Mission“.
Ein Gläubiger, der bei seiner Gottsuche an einem Punkt meint, Gott nun ganz und gar zu kennen, ist wie ein Liebender, der glaubt, alles über seinen Partner zu wissen. Dieser wird auf kurz oder lang ent-täuscht werden: auch bei einem alten Ehepaar wird es vorkommen, dass die Partner einander noch überraschen. Ein Gläubiger, gleich welcher Religion, der die eigenen Bilder absolut setzt, ist wie ein Liebender, der seine eigene Liebesbeziehung absolut setzt und meint, man könne auf keine andere Art lieben, als auf die eigene. Er verkennt, dass es in jeder Beziehung tausende Spielarten der Liebe gibt, dass jede Liebesgeschichte letztendlich unterschiedlich verläuft.
Letzte Konsequenz ist eine unstatthafte Vermischung: die Verwechslung der Gottesfrage mit der Frage nach dem Heil. Nur, so der Fehlschluss, wer genau „meine“ Gottesbilder teilt, nur wer meiner Religion, nur wer (gerade in Sekten häufig anzutreffen) meiner religiösen Community (oft auch Splittergruppe) angehört, hat Aussicht auf eine jenseitige Erlösung, die das Ziel des Glaubens sei.
Diese Auffassung ist in zweierlei Hinsicht falsch.
1. Im Glauben geht es in erster Linie nicht darum, nach dem Tode gerettet zu werden. Wäre dies das einzige Ziel und der Sinn des Glaubens, dann wäre der Glaube ein letztlich selbstbezogener Akt, der allein auf Verdienst und Lohn beruht. Analog wäre Gott ein selbstbezogener Gott, dessen Mittelpunkt es sei, sich anbeten zu lassen. Tatsächlich ist die Erlösung eine Verheißung an uns Menschen. Allerdings ist sie nicht das Ziel der Glaubensvollzüge. Vielmehr muss die Hinwendung zu Gott, die personale Begegnung mit Gott, letztendlich das Wagnis einer Liebesbeziehung zu Gott, das Ziel des Glaubens sein.
Dieses erfüllt sich nicht in einem fernen Jenseits, sondern bereits im Hier und Jetzt. Die Erlösung ist dann die daraus resultierende Fortführung und endgültige Vollendung dieser Liebesgeschichte mit Gott. Vollendung ist kein Lohn für Treue, wie ihn ein König seinem Vasallen zuteilt, sondern die Bestätigung einer bereits im Diesseits erstrebten Wirklichkeit.
2. Wir bezeugen als Christen von Gott, dass er alles Seiende aus einem Motiv heraus erschaffen hat: er als der Gott der Liebe will diese Liebe in seiner Schöpfung allem Seienden mitteilen. Aus Liebe hat alles Seiende auf seine Art teil daran: der Stein durch seine Existenz, die Pflanze durch das in ihr geborgene Leben, die Tiere durch ihre Sinnlichkeit und der Mensch durch die Fähigkeit, diese Liebe in Wörter und Worte zu fassen und die Schöpfung von daher zu verstehen und alles geschaffene einzuordnen. Es ist mir unmöglich zu glauben, dass ein solcher Gott der Liebe das grundsätzliche Scheitern eines seiner Geschöpfe deshalb wollen sollte, weil es in Fragen der Religion eine falsche Entscheidung getroffen hat.
Wenn mein Glaube ganz fest an die Gottesbilder einer konkreten Religion gebunden ist, dann ist diese Sicherheit, die der Glaube bietet, Ausdruck der persönlichen Suche nach Gott. Ein Grundirrtum ist es aber, aus diesem Bild von Gott eine Antwort auf die Frage nach dem Heil abzuleiten, die darauf hinausläuft, die Möglichkeit der Vollendung anderen abzusprechen. Geht eine Religion davon aus, dass Vollendung nur für die kleine Gruppe der Anhänger ebendieser Religion möglich ist, so läuft sie Gefahr, dass ihre Rede von Gott eine gefährliche Eigendynamik entwickelt, an der nicht zuletzt wir Katholiken in unserer Kirchengeschichte oft genug gescheitert sind.