Vor den Blogferien war das Gebet in der Nacht (Sure 73, der Verhüllte) Thema. Mit zwei Ereignissen in der Nacht knüpfe ich nun nach der Sommerpause wieder an. Und meine Sommerpause fiel ja in diesem Jahr mit dem Rammadan zusammen, und ich hoffe, alle Muslime unter den Lesern hatten eine segensreiche Zeit.
Die persönlichen Wege der Menschen auf ihrer Gottessuche sind sehr individuell und unterschiedlich. Der eine wächst von Kindheit an in seiner Religion auf und lernt über Eltern, Lehrer und Freundeskreis die Bilder über Gott kennen, er lebt den Glauben und verliert ihn nie. Ein anderer distanziert sich vom Glauben seiner Eltern, sucht und findet andere Worte, andere Ideen, andere Menschen, die ihn wieder zu Gott führen: entweder explizite, indem er in eine andere Religion oder in seine Ursprungsreligion zurückfindet, oder eben nicht, und Gott nur implizite entdeckt über seine Fähigkeit zu lieben und das Gesetz, das Gott in die Herzen aller Menschen gelegt hat.
Viele große Männer in den Religionen verdanken ihren Glauben aber einem Schlüsselerlebnis: Gott offenbart sich ihnen in einem unbeschreiblichen Moment ganz unmittelbar: ein Augenblick, nach dem die Welt für diese Person nicht mehr dieselbe ist.
Wir Christen kennen die Geschichte des Saulus, der durch ein Erlebnis vom erbitterten Gegner der Christen zum “Völkerapostel“ Paulus wurde; Martin Luther erlebte einen solchen Moment der Selbstoffenbarung Gottes im Turm seines Klosters in Wittenberg, Mose erlebte ähnliches, als er aus einem brennenden, aber nicht verbrennenden Dornbusch die Stimme Gottes vernahm.
Einen solchen Moment im Leben des Mohammed beschreibt Sure 17. „Gepriesen sei Der, Der seinen Diener (Mohammed) von der unverletzlichen Moschee (Kaaba in Mekka) zur fernsten Moschee (Al-Aksa-Moschee auf dem Tempelberg in Jerusalem) führte, deren Umgebung wir gesegnet haben, um ihm einige von Unseren Zeichen zu zeigen. Wahrlich, Er ist der Hörende, der Schauende.“ (Sure 17:1) Gott führt Mohammed also von Mekka nach Jerusalem, um ihn dort, wie die Überlieferung beschreibt, in den Himmel aufsteigen zu lassen.
Ein anderes Erlebnis des Propheten beschreibt Sure 97: „Wir haben ihn wahrlich in der Nacht des Schicksals (oder der Bestimmung) herabgesandt. Und was lässt dich wissen, was die Nacht des Schicksals ist? Die Nacht des Schicksals ist besser, als tausend Monate. In ihr kommen die Engel und der Geist (ggf. der Erzengel Gabriel) mit ihres Herrn Erlaubnis herab, mit jeglichem Auftrag. Frieden ist sie bis zum Anbruch der Morgenröte.“ (97:1-5). In der hier beschriebenen Nacht wurden die frühesten Verse des Koran offenbart. („Lies! Im Namen deines Herrn, der erschuf, – erschuf den Menschen aus einem sich Anklammernden. Lies! Denn dein Herr ist gütig. Der durch die (Schreib-) Feder gelehrt hat, – den Menschen gelehrt hat, was er nicht wusste.“ (97:1-5)
Die Schöpfung der Welt, die Schöpfung des Menschen, Gottes Wege mit den Menschen, Gottes Gesetz für die Menschen: all dies wird – in der Sprache der Menschen – Wort Gottes. Wort Gottes: für Juden der Tanach, für uns Christen die Bibel, für Muslime der Koran. Die gemeinsame Botschaft: das Zeugnis für den einen Gott, den Schöpfer all dessen, was ist.