Meine Entdeckungsreise begann bei der ersten Sure.
Dass gerade diese Sure am Anfang des Korans steht, ist keine Selbstverständlichkeit: sind doch alle 114 Suren gemäß ihrer Länge im Koran sortiert: die längste Sure (mit 286 Versen und in meiner dt. Ausgabe knapp 34 Seiten) zu Beginn, die kürzeste (6 Verse, 6 Zeilen) zuletzt. Allein diese kurze erste Sure ist den anderen vorangestellt.
Lange habe ich bei meiner Koranlektüre darüber gegrübelt, wie einzelne Passagen zu verstehen sind, wie einzuordnen, wie zu interpretieren. Der Leitfaden für meine Entdeckungsreise soll nun diese erste Sure sein. Deshalb habe ich sie auch als ersten Blogbeitrag unkommentiert eingestellt.
Dieses Gebet dürfte eigentlich in keinem christlichen Gebetbuch fehlen. Bei einer Neurevision unseres katholischen Kirchengebet- und Gesangbuchs „Gotteslob“ werde ich anregen, die Sure 1 als Gebet mit aufzunehmen.
Wie lese ich also alle Suren des Koran? – Nun: allein unter dem Vorzeichen dieser ersten Sure. Worum geht es für mich im Koran?
1. Um Allah, den Erbarmer, den Herrn, den Barmherzigen, den Richter.
2. Um unseren Dienst, um die Rechtleitung, die Gott in unser Herz legt, und um den rechten Pfad.
Allah zu suchen, Allah zu dienen, seinen Pfad zu gehen: darum geht es für mich im Koran. Und das ist mein Plan für die Koranlektüre: zu lesen, zu hören. Zu ergründen, ohne zu beurteilen (ansonsten wäre meine Lektüre nach den ersten 13 Versen von Sure 2 beendet gewesen). Vorurteilsfrei.
Also: Sure 1, was nehme ich mit? – Sie holt mich ab. Bei einem Gebet, das mir als Pfadfinderkurat („-seelsorger“) ans Herz gewachsen ist: dem Pfadfindergebet, das auf den Gründer Robert Baden-Powell zurückgeht. Hier heißt es:
…
Zeige mir meinen Weg
und begleite mich auf dem Pfad, der zum Leben führt.
Dir will ich folgen und mein Bestes tun.
Hilf mir dazu und segne mich.
Amen.
—
Dir will ich folgen und mein Bestes tun:
Ist das vielleicht auch der Weg des Koran? –
„Leite uns den rechten Pfad,
Den Pfad derer, denen Du gnädig bist (…).“ (Sure 1, 6-7)
Jörg c
Eure Meinung zur ersten Sure interessiert mich:
Liebe Muslime, welche Bedeutung hat für Euch diese erste Sure?
Liebe Christen (u.a.), was haltet Ihr von dem Gedanken, die Sure 1 in Euren Gebet-/Meditationsbüchern zu finden?
Das Pfadfindergebet
(Fassung der DPSG, nach Robert Baden-Powell)
Herr Jesus Christus!
Du hast gesagt: „Seid bereit!“
Dieses Wort ist mein Wahlspruch.
„Allzeit bereit“ will ich sein
und nach Deinem Beispiel handeln:
wahr im Reden,
verlässlich im Tun.
In Deiner Kirche ist meine Heimat,
sie lässt uns geschwisterlich
in dieser Welt leben:
bereit zum Verzeihen,
selbstlos im Helfen,
geduldig, wenn es schwierig wird.
Zeige mir meinen Weg
und begleite mich auf dem Pfad,
der zum Leben führt.
Dir will ich folgen und mein Bestes tun.
Hilf mir dazu und segne mich.
Amen.
Friede sei mit Euch und die Gnade und der Segen Gottes
Da die Sure „Al Fatiha“ den gesamten Koran und damit seine Kern-Botschaft in seinen Versen einschließt, ist es eine Sure, die bei allen unserer Gebete und Gottesgedenken rezitiert wird. Nicht einmal bei einem Bittgebet oder Zwiegespräch mit Gott fehlt diese Sure (zumindest bei mir). Zumal sie auch als Bittgebet als Solches schon Verwendung findet. Es kann in verschiedenen Abschnitten betrachtet werden. Z. B. kann man es in zwei Abschnitten betrachten und die erste Hälfte als „Bezeugung“ und die zweite Hälfte als „Bitte um Rechtleitung“ erkennen. Jeder einzelne Vers stellt z. B. unsere Haltung zu Gott dar. Und dies ist nur eine Deutung von zig Deutungen.
Daher ist diese „eröffnende“ Sure „Al Fatiha“ von großer Bedeutung für uns Muslime und wird daher zu jedem Beginn von Gebeten, Gottesgedenken oder auch z. B. bei anderen Tätigkeiten im Alltag zuerst rezitiert. Wir richten uns praktisch bei jeder Rezitation immer wieder neu aus (Die Zuwendung zu Gott). So Gott will.
LG Hüseyin m
Lieber Hüseyin,
ich freue mich, dass Du dabei bist. Mit Sicherheit wird der Blog viel von den spirituellen Impulsen aus dem Sufiorden gewinnen!
„Al Fatiha“: Gerade aufgrund ihrer Bedeutung habe ich diese Sure auch als erste diesem Blog ohne weitere Erläuterung vorangestellt.
Herzlich,
Jörg
Lieber Abdou,
schön, dass Du dabei bist. Ich freue mich natürlich sehr über jeden Kommentar. Weil ich zeitlich eingebunden war, komme ich erst jetzt dazu, zu antworten.
Ich schwimme gerne, wenn ich es für angemessen halte, „gegen den Strom“. Mit meinem Blog bin ich aber eher „mit dem Schwarm unterwegs“.
Die katholische Kirche ist völlig unzweideutig in der Wertschätzung des Korans und der Wertschätzung der Muslime:
„Mit Hochachtung betrachtet die Kirche auch die Muslime, die den alleinigen Gott anbeten, den lebendigen und in sich seienden, barmherzigen und allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde, der zu den Menschen gesprochen hat. Sie mühen sich, auch seinen verborgenen Ratschlüssen sich mit ganzer Seele zu unterwerfen, so wie Abraham sich Gott unterworfen hat, auf den der islamische Glaube sich gerne beruft. Jesus, den sie allerdings nicht als Gott anerkennen, verehren sie doch als Propheten, und sie ehren seine jungfräuliche Mutter Maria, die sie bisweilen auch in Frömmigkeit anrufen. Überdies erwarten sie den Tag des Gerichtes, an dem Gott alle Menschen auferweckt und ihnen vergilt. Deshalb legen sie Wert auf sittliche Lebenshaltung und verehren Gott besonders durch Gebet, Almosen und Fasten.
Da es jedoch im Lauf der Jahrhunderte zu manchen Zwistigkeiten und Feindschaften zwischen Christen und Muslimen kam, ermahnt die Heilige Synode alle, das Vergangene beiseite zu lassen, sich aufrichtig um gegenseitiges Verstehen zu bemühen und gemeinsam einzutreten für Schutz und Förderung der sozialen Gerechtigkeit, der sittlichen Güter und nicht zuletzt des Friedens und der Freiheit für alle Menschen.“
Dies steht nicht in irgendeiner Schrift irgendeines katholischen Theologen, sondern in einer Erklärung des 2. Vatikanischen Konzils mit Namen „Nostra aetate“ (n. 3). Es ist also verfasst mit „lehramtlicher Autorität“ und gehörtsomit zum verbindlichen (wenn auch nicht unfehlbaren) Glaubensschatz der Kirche.
Anders: ein Katholik, der dem widerspricht, steht dann mit seiner Meinung außerhalb des Glaubens der Kirche. Und ich gehe davon aus, dass auch die Vertreter der ev.-luth. Kirche ähnlich denken; von einzelnen evangelischen Mitbrüdern/-schwestern weiß ich dies auch konkret.
Wer im deutschen www „Islam“, „Koran“ und ähnliche Begriffe googelt, stößt vielleicht auf viele Seiten, die voller Angst, Wut oder Hetze argumentieren. (So z. B. auch in einem Forum, das sich zwar „katholisch“ nennt, von dem sich die Kirche aber klar distanziert, weil dort gelegentlich in übelster Weise gegen Juden, Muslime, Homosexuelle und andere Minderheiten gehetzt wird.) In meinem persönlichen Umfeld begegnen mir Ressentiments selten; ich kann mir gut vorstellen, dass an der einen oder anderen Stelle eine streitbare Minderheit hinter bestimmten Seiten steht?!
Herzlich,
Jörg
Hallo lieber Jörg,
es erfreut mich das Sie mit einem friedlichen Ansatz an dieses Buch herangehen, leider gehen zahlreiche sich selbst „christlich“ nennende Menshen mit anderen Absichten an Islam und Koran ran und ausgerechnet diese kriegslüsternen „Sheinchristen“ werden von den (Massen)Medien sehr hochgebausht und sollten sie Politiker sein Medial hochgeputsht!
Wer Frieden sucht, wird Frieden auch da finden, wo man es nicht mal erwartet,
und umgekehrt:
wer Unfrieden sucht wird Unirieden finden, auch in den heiligsten Büchern und sogar in Babys/Kindern und diesen „gefundenen“ Unfrieden bekämpfen, wie z.B. durch töten jüdisher Babys/Kinder bis 1945, oder muslimishe „Terroristen“ im Bauch ihrer Mutter vorsorglich bekämpfen, […] sie bekämpfen mit ihrem satanistishen Rassismus sogar ungeborene Babys!
Was mich interessiert und keiner vor mir fragt ist, was meinst Du mit dem Satz
„[…] zu lesen, zu hören. Zu ergründen, ohne zu beurteilen (ansonsten wäre meine Lektüre nach den ersten 13 Versen von Sure 2 beendet gewesen). Vorurteilsfrei.[…]“
Warum wäre die Lektüre nach Vers 13 beendet? Was ist in den ersten 13 Versen drin, was wenn Du es beurteilen WOLLTEST, die Lektüre beenden würde?
Mit dem Wunsh nach immer mehr FRIEDENSSUCHENDEN auf allen Seiten
Bekim
Albanisher Shia aus sunnitisher Umgebung
Lieber Bekim,
sehr richtig schriebst Du, wer Frieden suche, werde ihn finden. Auch da, wo er ihn nicht erwarte. Das mag für viele – insbesondere für viele Christen – eine spannende Entdeckung sein, wenn sie den Koran lesen.
Tatsächlich hast Du völlig recht: Christen, genau so wie Juden, Muslime und Angehörige anderer Religionen tun schlimme Dinge. Und doppelt schlimm ist es, wenn sie dabei Gott im Munde, aber ihre eigenen Ansprüche im Herzen führen. Beispiele kennen wir alle, deshalb sei bitte nicht böse, wenn ich Deinen Beitrag ein wenig gekürzt habe: Du hast sehr viele sehr komplexe Themen angesprochen, die vom Ziel des Blogs wegführen. Aber natürlich hast Du recht: sehr viel Schmerzliches mussten immer wieder Menschen von Menschen erfahren, die vorgeben im Namen Gottes zu handeln.
Auf Deine Frage: Nicht-Muslime, die den Koran oberflächlich lesen: sie hören aus dem Zusammenhang herausgerissen die Verse 2:6 und 2:7: „Siehe, den Ungläubigen ist es gleich, ob Du sie warnst oder nicht warnst; sie glauben nicht. Versiegelt hat Allah ihre Herzen und Ohren, und über ihren Augen liegt eine Hülle, und für sie ist schwere Strafe bestimmt.“
In diesen zwei so isolierten Versen finde ich mich nicht wieder, und wenn ich alles weitere, was in 2:8-13 steht auf mich bezöge, würde ich für mich gar nicht weiter lesen wollen.
Die genaue Lektüre lehrt mich anderes. Aufmerksamkeit, Zugewandtheit, Zuhören und innere Muße sind die Grundtugend des Lesenden und unverzichtbar, wenn man es mit Heiligen Texten zu tun hat. Und wer aufmerksam Heilige Texte verfolgt, lernt auch viel über die Menschen, die diesen Texten den ersten Platz im Herzen einräumen.
Vorurteilsbehaftetes Lesen führt in die Irre.
Worte des Friedens stehen im Koran. Man muss ihn nur lesen. Aber: man muss sich auf ihn einlassen, ihn wirklich lesen, um die wertvollen Früchte ernten zu können.
Ich hoffe, ich habe Deine Frage soweit beantwortet.
Friede mit Dir!
Jörg