„Wer aber nicht glaubt und unsere Zeichen verleugnet, die sollen Bewohner des Feuers werden; darin sollen sie ewig verweilen!“ (2:39)
Sowohl im Koran als auch in der Bibel ist die Möglichkeit der grundsätzlichen Verworfenheit des Menschen bezeugt. Und nicht nur hier: die Vorstellung einer „Unterwelt“ ist in den meisten Religionen bezeugt.
Die „Unterwelt“ in den Religionen der Antike und des Mittelalters
So verschieden die Auffassungen in Antike und Mittelalter auch waren, so ähnlich waren sie in der Art und Weise ihrer mythologischen Ausprägung. Der Kosmos war dreigeteilt: in eine obere Welt Gottes / der Götter, die räumlich im / über dem Himmelsgewölbe angesiedelt ist, in die irdische Welt, die nach dem Tode verlassen wird und in die Unterwelt, die, wie auch immer sie ausgestaltet sein mag, unter dem Erdboden zu finden war. Ob diese lediglich als Aufenthaltsort aller Verstorbenen diente (etwa bei Homer), ein Ort der Strafe (frühes Christentum) ist oder abgestuft beides beinhaltet (etwa bei Platon, aber auch im Christentum), ob Läuterung möglich ist oder nicht, die grundsätzliche Dreiteilung der Welt bestimmt das Bild.
Hölle als Folterkammer Gottes?
Sowohl in der Bibel als auch im Koran ist das Bild des nie endenden Feuers bezeugt. ein solches Bild wird etwa illustriert in der Höllenwanderung Dante Alighieris in der „Göttlichen Komödie“. In seiner Schilderung unterscheiden sich die Höllenqualen nicht strukturell von der bildhaften Vorstellung der biblischen Schilderung. In den buntesten Farben werden die Leiden der sündigen Menschen gezeichnet. Uns kann diese Folterkammer Gottes jedoch nicht befriedigen: Es werden zwar die biblischen Aussagen vom ‚Heulen und Zähneknirschen‘ eindrucksvoll illustriert, wir finden das ewige Feuer (Mt. 5,25 und Mt. 25, 31-46), etwa in der brennenden Höllenstadt Dis; meinethalben mag auch jemand darauf verweisen, dass hier die allerletzte Konsequenz göttlicher Gerechtigkeit – ich stimme dem nicht zu – demonstriert wird, allerdings wird hier der Hiatus zur Grundaussage des liebenden Gottes, des Erbarmers tatsächlich nicht überbrückbar, der Widerspruch unlösbar. Eine solche, die schlimmsten irdischen Gräuel qualitativ und quantitativ übertreffende, ewige Hölle kann tatsächlich mit einem liebenden, erbarmenden Gott prinzipiell nicht in Einklang gebracht werden; sie kann nicht einmal von Gottes Liebe umfangen werden.
Die zwei Reihen der Überlieferung
Die Konsequenz, Gott könne immerwährendes Leid nicht zulassen, Hölle sei in ihrer Ewigkeit also prinzipiell unmöglich, kann aufgrund eindeutiger biblischer Aussagen – und der Koran bestätigt dies – hier nicht gezogen werden. Der Theologe Hans Urs von Balthasar, dessen Interpretation ich in dieser Frage folge, verweist in diesem Zusammenhang auf zweierlei „Reihen von Schriftworten, die wir nicht zu einer überblickbaren Synthese verbinden können.“ (Kleiner Diskurs über die Hölle, Ostfildern, 1985, S. 17.) Erstere, die „universalistischen Texte stellen den Willen und die Vollmacht Gottes, alle Menschen zu retten, in den Mittelpunkt […]: ‚Einer ist für alle gestorben‘ (2 Kor 5,14)“.(ebd.) Wenn die Heilstat Christi also für alle geschehen ist, so kann keiner außerhalb dieses Plans stehend gedacht werden. Andererseits erwähnen die oben zu vor erwähnten Perikopen die reale Möglichkeit ewiger Verdammnis; diese zweite Reihe, „die jede leichtfertige Schlussfolgerung (‚Es wird schon alles gutgehen‘) verbietet, und uns unerbittlich vor die ernsthafteste Möglichkeit unseres Verlorengehens stellt“, (ebd.) muss dementsprechend zusammen mit ersterer in einen Zusammenhang gestellt werden können.
Die reale Möglichkeit ewiger Verdammnis
Erlösung ist in der Heilstat Jesu bereits für alle Menschen, so von Balthasar, erwirkt. Die Sendung des Sohnes ist universal. Wenn aber nun, aus der größten Pervertierung von Freiheit heraus, ein Mensch sich gerade dieser Gnade verweigert, so stehe er nunmehr „nicht vor dem Kreuz, sondern hinter ihm, denn er widersteht seinem Rettungswerk ins Angesicht.“ (Theodramatik IV, Einsiedeln, 1983, S. 259)
Es zeigt sich, dass ein einzelner das gesamte Heilswerk Gottes dadurch, dass er sich ihm verweigert, zunichte machen kann:
Die Liebe Gottes erzwingt nichts.
Ob sich ein Sünder, selbst auf die Gewissheit ewiger Verdammnis hin, auf diese Weise Gott verweigert, verweigern kann, lässt von Balthasar offen, nur „soviel darf gesagt werden: Gott achtet auch als Erlöser die Freiheit, die Gott der Schöpfer seinem Geschöpf zugeeignet hat und mit der es seiner Liebe zu entgehen vermag. Dieses ‚Achten‘ besagt, dass Gott nicht durch die Allmacht seiner absoluten Freiheit die prekäre Freiheit seines Geschöpfes überwältigt, erdrückt, vergewaltigt.“ (Pneuma und Institution, Einsiedeln, 1974, S. 443.
Die reale Möglichkeit der Hölle betont von Balthasar; wir haben es hier nicht mit einer billigen Allversöhnungslehre zu tun.
(… wird fortgesetzt.)