Vollendung (2:25)

Das Scheitern des Menschen ist an dieser Stelle – ebenso, wie in anderen Suren – nicht das entscheidende Thema. Die ganze Bildhaftigkeit des Scheiterns – Blindheit (2:17-18), Wolke (2:19-20) und Feuer (2:24) – dient nur der Illustration einer ganz anderen Verheißung: nämlich der Vollendung des Menschen. „Verheiße aber denen, die glauben und das Rechte tun, dass Gärten für sie bestimmt sind, durcheilt von Bächen. Und sooft sie mit einer ihrer Früchte gespeist werden, sprechen sie: ‚Dies war unsere Speise zuvor’; doch nur ähnliche werden Wir ihnen geben. Und darin werden sie reine Partner haben, und darin werden sie ewig verweilen.“ (2:25).

Fülle
Gärten und Bäche in Ländern, in denen Wasser(-gewinnung) überlebenswichtig ist: Sinnbilder für eine andere Wirklichkeit, in der „Fülle“ das zentrale Moment ist. Es mangelt nicht an Wasser. Damit mangelt es an gar nichts. Der Garten: auch Sinnbild für unser Paradies. Sinnbild einer Wirklichkeit, die – wenn auch nicht materiell – so auf jeden Fall körperlich ist.

Gemeinschaft
Für die Vollendung haben auch wir Christen ein Bild, ein anderes. Wir nennen sie ‚Himmel’, meinen damit aber natürlich keinen geographischen Ort, sondern eine (wenn auch nicht materielle) so doch körperliche Wirklichkeit. Nur: was bedeutet in diesem Fall „Körper“? – Durch unseren Körper haben wir die Möglichkeit, mit unserer Welt und den Mitmenschen in Kontakt zu treten, in menschlicher Gemeinschaft zu leben. Körperlichkeit ist demnach nicht zwangsläufig materiell. Die Seele bedarf der Körperlichkeit; der Mensch ist immer ein „Zusammen“ von Körper und Seele, auch wenn der Körper nicht aus Materie zusammengesetzt ist. Somit ist die Vollendung immer auch an einen Körper gebunden und verweist damit auch immer auf ein menschliches Miteinander. Im Christentum finden wir dies genau so, wie es im Koran beschrieben ist, der von ‚reinen Partnern’ spricht: Gemeinschaft als Lebens- und auch Liebesbeziehung zwischen Menschen.

Zusammenfassend
sind also zweierlei Aspekte grundlegend: Fülle („Garten“) und Gemeinschaft („Partner“). So, wie der gescheiterte Mensch selbst Grund seines Scheiterns ist, so ist die Vollkommenheit der Gärten nichts anderes, als die konsequente Fortführung des auf der Erde bereits gut gelebten Lebens („…sprechen sie: ‚Dies war unsere Speise zuvor.’ “) Diese Früchte sind natürlich keine „Apfelsinen“. Sie sind ein verständliches und deutliches Bild für die „Fülle“ der Ewigkeit. Und dass es ein Bild ist, lese ich wortwörtlich auch aus dem Koran heraus: „ ‚Dies war unsere Speise zuvor.’; doch nur ähnliche (Früchte) werden Wir ihnen geben.“ (2:25)

Gemeinschaft mit Gott
Für uns Christen ist ein dritter Aspekt noch der grundlegendste: die Gemeinschaft mit Gott. Die Vollendung beschreibt der Hl. Augustinus als immerwährende „Anschau“ Gottes, die er zugleich als ein „sehen“ wie auch als ein „genießen“ beschreibt. Gott zu sehen ist das größte Glück. An dieser Koranstelle (wie auch an vielen anderen) ist die Nähe Gottes als Voraussetzung für die Fülle ebenso wie für die Gemeinschaft nur implizite angedeutet. (Wer bereitet die Gärten? – Wer ermöglicht Gemeinschaft?) – und zwar in dem Satz „doch nur ähnliche werden Wir ihm geben“ (2:25).

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